Ambidextrie
So sorgen Führungskräfte für Stabilität und Bewegung zugleich
Unternehmen müssen heute agil sein, sie sollten aber auch ihr Bestandsgeschäft nicht aufgeben und Stabilität gewährleisten. Führungskräfte sind vor diesem Hintergrund gefordert, wandlungs- und anpassungsfähig zu sein. Emotionale Skills in der Führung sind wichtiger denn je.
Agiles Arbeiten ist das Schlagwort schlechthin in der heutigen Zeit. Mit gutem Grund: Veränderungen finden im immer schneller werdenden Takt statt, und die Unternehmen sind gezwungen, die digitale Transformation voranzutreiben. Es gilt, neue Geschäftsmodelle zu erarbeiten, ansonsten laufen sie Gefahr, im Wettbewerb künftig nicht mehr mithalten zu können. Doch eine agile Organisation lässt sich freilich nicht von heute auf morgen erschaffen. Denn das erfordert einen Wandel in der Unternehmenskultur, und dies ist ein längerer Prozess. Es ist aber auch gar nicht ratsam, dass Sie ausschließlich auf Agilität setzen. Zum einen würde dies einen Großteil Ihrer Mitarbeiter völlig überfordern, da sie die Arbeitsweise nicht gewohnt sind. Zum anderen bedeutet dies, das traditionell bewährte Kerngeschäft komplett aufzugeben. Dieses jedoch hat immer noch mehr als seine Berechtigung. Schließlich bietet es Stabilität und gewährleistet effizienzorientiertes Arbeiten im Bestandsgeschäft.
Agil sein und Stabilität bieten
Mit dem Ansatz der Ambidextrie – der Begriff kommt aus dem Lateinischen und heißt so viel wie Beidhändigkeit – lässt sich beides vereinbaren: Organisationen und ihre Strukturen werden agiler gestaltet, um Innovationen voranzutreiben (hier spricht man von Exploration). Automatisch leitet dies dann auch einen Wandel der Unternehmenskultur ein, weil Silos eingerissen und die Zusammenarbeit der Mitarbeiter erleichtert wird. Gleichzeitig aber geht das operative Geschäft beziehungsweise das effizienzorientierte Arbeiten im Kerngeschäft weiter (Exploitation). Letztlich verlaufen Linien- und Projektaufgaben parallel nebeneinander und das Spannungsfeld zwischen Exploitation und Exploration wird in eine Balance gebracht. So werden bei diesem Konzept zum einen die Mitarbeiter abgeholt, die ganz im Sinne von New Work agil arbeiten möchten. In der Regel handelt es sich dabei um Vertreter der Generation Y und Z, also die ab 1980 Geborenen. Aber auch ältere Mitarbeiter finden Geschmack an der agilen Arbeitsweise. Das Modell wird zum anderen aber auch den Mitarbeitern gerecht, die Beständigkeit und Routinen brauchen und auf alte Werte setzen.
Wie gelingt Ambidextrie?
Die Gretchenfrage für Unternehmen und Führungskräfte lautet indes: Wie gelingt Ambidextrie? Diese Frage hat das Weiterbildungsmagazin für Führungskräfte „managerSeminare“ im Sommer 2018 seinen Lesern gestellt. Von den knapp 100 Lesern, die sich an der Umfrage beteiligt haben, sind mehr als die Hälfte (und damit die Mehrheit) der Meinung, dass die Unternehmen auf persönlicher Ebene ansetzen müssen. Das heißt: Jede einzelne Führungskraft sollte in der Lage sein, in ihrem Bereich sowohl das Bestandskundengeschäft als auch innovative Projektarbeit zu fördern.
Fokus auf die übergeordneten Ziele
Wichtig dabei ist, dass es keine Konflikte zwischen den Mitarbeitern mit Bestands- und jenen mit Innovationsaufgaben gibt. Voraussetzung hierfür: Die Mitarbeiter müssen Verständnis füreinander haben. Für die ambidextre Führungskraft ist es daher wichtig, gegenseitige Akzeptanz zwischen den Mitarbeitern aufzubauen. Hierfür sollten sie vor allem den Fokus auf die übergeordneten Ziele des Unternehmens lenken und die aktuelle Dynamik innerhalb des Marktes veranschaulichen. Den Mitarbeitern sollte bewusstwerden: Auch, wenn das Kerngeschäft gut läuft, sind Innovationen von großer Bedeutung.
Die Führungskraft muss unterschiedliche Kommunikationsstile beherrschen
Wer sowohl in der Linie innerhalb des Kerngeschäftes als auch in explorativen Projekten führt, muss außerdem auf die jeweils richtige Kommunikation achten und zwischen verschiedenen Kommunikationsstilen wechseln können. Das macht die Führungsforscherin Julia Duwe in ihrem Buch „Beidhändige Führung – Wie Sie als Führungskraft in großen Organisationen Innovationssprünge ermöglichen“ deutlich. Sind die Prozesse und Ziele klar und es sind quasi altbekannte Aufgaben abzuarbeiten, laufe die Kommunikation top-down. Im explorativen Umfeld, wo die Lösungen beziehungsweise die Lösungswege nicht von vornhinein festgelegt sind, sei dagegen eher ein begleitender Führungsstil – also ein coachender, moderierender Stil – ratsam. Auf diese Weise können Sie die Selbstwirksamkeit Ihres Teams unterstützen.
Die Kompetenz zum situativen Führen, speziell die Fähigkeit, zwischen einem effzienz- und einem innovationsförderlichen Stil hin und her zu wechseln, sehen auch 46 Prozent der Befragten aus der managerSeminare-Studie als wichtig an. 42 Prozent gaben darüber hinaus an, dass die Führungskraft klar kommunizieren können muss, um Irritationen aufgrund ihres situativen Führungsstils zu vermeiden.
Verzicht auf Kontrolle im explorativen Feld
Was Führung im explorativen Feld betrifft, ist eines ganz klar: Von Anweisungen und Kontrolle müssen Sie sich als Führungskraft verabschieden. Erstens stoßen Sie damit insbesondere bei den Mitgliedern der jüngeren Generationen auf Granit. Diese möchten selbstständig arbeiten und frei entscheiden können, lehnen hierarchische Führung ab. Zweitens fördert ein kontrollierender Führungsstil nicht die Kreativität und somit auch keine Innovationen. Es gilt, die Mitarbeiter zu inspirieren, sie zu ermuntern, neue Trends aufzugreifen und neue Wege zu gehen. Immer auch ist Bestehendes in Frage zu stellen. Bei all dem sollten Sie selbst Vorbild sein.
Führungskräfte brauchen Veränderungskompetenz
Doch Vorbild zu sein ist natürlich leichter gesagt als getan: Führungskräfte in der Ambidextrie müssen Unsicherheit gut aushalten können und selbst offen für Neues sein. Hierfür benötigen Sie unternehmerisches Denken, vor allem aber Veränderungskompetenz. In den Managementausbildungen von Business Schools werden hierzu nicht umsonst immer mehr Lehreinheiten geboten. Letztlich zeigt dies: Für die beidhändige Führung müssen Manager anpassungsfähig sein und über ein großes Spektrum an Verhaltensweisen verfügen. Wichtig zudem: entscheidungsfähig zu sein und eine neue Art der Selbstsicherheit mitzubringen. Nur wenn Sie wissen, wo sie selbst stehen und sich selbst reflektieren können, gelingt es Ihnen auch, gut auf andere Menschen einzugehen. Und letztlich gelingt es Ihnen auch nur dann, klar zu kommunizieren.
Entwicklung persönlicher Fähigkeiten nötig
Die Entwicklung von persönlichen und emotionalen Kompetenzen wird für Führungskräfte also immer wichtiger. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass Sie Mitarbeiter individuell fördern und deren Selbstorganisation ausbauen sollten. Laut der Studie des Personaldienstleisters Hays „Zwischen Effizienz und Agilität“ ist dies ausschlaggebend, um Effizienz und Innovationsfähigkeit in einem komplexen Umfeld zu steigern. Mehr als 220 Führungskräfte aus mittleren und großen Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus den Bereichen Finance & Accounting, IT und Research & Development wurden in der Studie zum Thema Ambidextrie telefonisch befragt. 80 Prozent der Befragten halten mehr Experimentierfreude für erforderlich. Allerdings sagt über die Hälfte auch, dass sie nicht gelebt wird. So verwundert es auch nicht, dass die Wettbewerbsfähigkeit bei neuen Themen nur von etwas mehr als einem Drittel der Unternehmen als gut eingeschätzt wird. Für die erfolgreiche Umsetzung von Ambidextrie bleibt also noch viel zu tun. Die Führungskräfte-Entwicklung nimmt dabei einen besonderen Stellenwert ein.
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